Selbstständig statt arbeitslos: Praxis-Anleitung zum Gründungszuschuss und anderen Arbeitsagentur-Fördermitteln

Einleitung: Von Unternehmern und Unterlassern

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Von Unternehmern und Unterlassern

Der abgestufte Weg in die berufliche Selbstständigkeit lohnt sich. Deshalb sind die vielfältigen Förderangebote für gründungswillige Arbeitslose begrüßenswert: Dieses "Lob der Selbstständigkeit" gilt uneingeschränkt, selbst wenn sich das Problem der Arbeitslosigkeit mit Gründungsbeihilfen gewiss nicht lösen lässt.

Im Vergleich zum schicksalsergebenen Warten auf einen passenden Arbeitsplatz haben Sie mit der "Direktvermarktung" Ihrer eigenen Arbeitskraft eine ganze Reihe von Vorteilen:

  • Sie nutzen einen Marktvorteil: Der Verkauf von (befristeten) Dienstleistungen oder Produkten an Auftraggeber und Kunden ist einfacher und vielversprechender als die Bewerbung um eine der wenigen offenen Stellen.

  • Sie bleiben im Geschäft: Sie pflegen Kontakte, erhalten und erweitern Ihre Kompetenzen.

  • Sie lernen, unternehmerisch zu denken und handeln. Und zwar ganz praktisch: Nur durch Kunden- und Nutzenorientierung, durch die Konzentration auf Lösungen und Ergebnisse (statt auf Probleme) werden Sie nämlich Aufträge bekommen.

  • Die gewonnene Selbstständigkeit lässt sich auch im Angestellten-Dasein nutzen: Niemand hindert einen Selbstständigen daran, ein unverhofftes Angebot auf Festanstellung anzunehmen. Die Fähigkeit zum "selbstständigen und unternehmerischen Handeln" müssen Sie künftig bei möglichen Bewerbungen nicht mehr nur behaupten: Sie können auf Ihre betrieblichen Erfahrungen verweisen!

  • Nicht nur dadurch steigern Sie Ihren Marktwert als möglicher Mitarbeiter: Die Wahrscheinlichkeit eines attraktiven Stellengebots steigt allein aufgrund Ihrer Kontakte als Freiberufler oder Klein(st)unternehmer. Die Zahl der Kontakte ist jedenfalls höher als bei noch so intensivem "Studium" der Anzeigenseiten.

Was tun? Na, was tun!

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!" dichtete einst Erich Kästner und fasste damit auch die zentrale Botschaft für änderungswillige Arbeitslose zusammen. Es genügt nicht, die berufliche Selbstständigkeit nur in Betracht zu ziehen. (Geschäfts-)Ideen gibt es viele, in Wohnzimmern und an Stammtischen wimmelt es nur so von "Manmüsstemals".

Die Aufforderung, aktiv zu werden bedeutet nun keineswegs, dass jeder Arbeitslose schnurstacks ins Unternehmerlager überwechseln soll. Wichtig ist jedoch, dass Sie - über Ihre üblichen Bewerbungsaktivitäten hinaus - konkrete Handlungsschritte in Angriff nehmen. Der Weg in die Selbstständigkeit kann nämlich abgestuft und vergleichsweise risikolos erfolgen, denn ...

  • erstens sind "abhängige Beschäftigung und Unternehmensgründung" zumindest in Bezug auf "kleine Selbstständige" kein krasser Gegensatz: Die Tätigkeit eines selbstständigen Dienstleisters ähnelt im beruflichen Alltag der Arbeit eines Angestellten weit mehr als der eines Unternehmers mit zahlreichem Personal.

  • Zweitens gibt es eine Rückfahrkarte ins Angestellten-Dasein (und unter bestimmten Umständen sogar in die Arbeitslosigkeit). Es spricht auch überhaupt nichts gegen einen wiederholten Wechsel zwischen der Angestellten-Welt und der von Selbstständigen.

  • Drittens lassen sich viele selbstständige Einkünfte auch im Nebenjob erzielen. Wenn Sie wieder als Angestellter arbeiten, muss Ihre betriebliche Einnahmequelle also nicht versiegen.

  • Das gilt viertens auch für Arbeitslose: Sie dürfen nämlich neben Ihrem Arbeitslosengeld auch Nebeneinkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erwirtschaften! Außerdem können Sie Ihre Arbeitslosigkeit für größere Aufträge auch erst einmal nur vorübergehend unterbrechen.

  • Vor der Entscheidung darüber, ob Sie Ihre Dienstleistungen oder Produkte tatsächlich auf dem Markt anbieten wollen, können Sie sich außerdem zielgerichtet fachlich und kaufmännisch weiterbilden und beraten lassen, ohne dafür gleich tief in die Tasche greifen zu müssen.

Persönlich am allerwichtigsten ist jedoch: Wenn Sie sich einmal entschieden haben, konkrete Schritte hin zu einer beruflichen Selbstständigkeit zu unternehmen, fühlen Sie sich weniger abhängig. Sie sind nicht länger zur Passivität verurteilt, Sie können sich selbst wieder realistische und erfüllbare Ziele stecken.

Höhere Lebenszufriedenheit

Wenn Sie "vom Unterlasser zum Unternehmer" geworden sind, müssen Sie für Ihren Lebensunterhalt bestimmt nicht weniger arbeiten. Trotzdem: Die Lebenszufriedenheit ist unter Selbstständigen im Vergleich zu abhängig Beschäftigten im Schnitt höher. Das liegt nicht nur an dem allgemein höheren Grad der Selbstbestimmung. Ein ganz simpler Grund kommt hinzu: Es gibt einfach mehr Erfolgserlebnisse!

Während die Anerkennung für berufliche Anstrengungen in Form der monatlichen Gehaltszahlung von Angestellten im Laufe der Zeit kaum noch wahrgenommen wird, erfahren Selbstständige die Wertschätzung ihrer Auftraggeber mehrfach: Angefangen bei der Anfrage über die Auftragserteilung und die Abnahme der Lieferung bis hin zum Rechnungsausgleich können sie sich viermal so oft freuen.

Selbstständig oder Unternehmer?

Ein Grund für die hohe psychologische Hürde vor der beruflichen Selbstständigkeit ist, dass der Begriff "Existenzgründungen" extrem unterschiedliche Sachverhalte bezeichnet. Zwischen dem Webdesigner, der auf eigene Rechnung arbeitet, und dem neuen Industrie-Betrieb, mit dem eine Gruppe von Wissenschaftlern ihre Forschungsergebnisse kommerziell verwerten will, klafft eine Riesenlücke:

  • Geschäftsfelder,

  • Risiko,

  • Umfang der kaufmännischen Aufgaben sowie

  • erforderliche Qualifikationen

... unterscheiden sich enorm.

Kleingewerbetreibende, Freiberufler und andere Solo-Selbstständige, die "nur" ihre Arbeitskraft vermarkten, kommen in aller Regel mit geringen Investitionen aus: "Produktionsmittel" wie Fahrzeug, Büroausstattung, Hard- und Software oder Werkzeuge sind oft bereits vorhanden. Haushaltsnahe Dienstleister, Büroservices, IT-Freiberufler und ähnliche "Freelancer" können sich Bank-Darlehen daher meist ganz sparen.

Die Anlaufkosten beschränken sich im günstigsten Fall auf die Beschaffung von Geschäftspapieren sowie die Ausgaben für Werbung. Selbst Händler werden können Sie ohne Ladenlokal, eigene Warenbestände oder gar Angestellte: Denken Sie nur an den professionellen E-Bay-Powerseller.

Unternehmer = Arbeitgeber

Zum "richtigen" Unternehmer hingegen werden Gründer erst dann, wenn sie sich entscheiden, zugleich Arbeitgeber zu sein. Wenn Sie dauerhaft Mitarbeiter beschäftigen, können Sie unter Umständen mehr und "leichter" Geld verdienen. Sie gehen aber auch ein deutlich höheres Risiko ein.

Außerdem ändert sich Ihr Arbeitsalltag gründlich: Ihre geschäftliche Aufgabe besteht dann zu einem beträchtlichen Teil darin, ...

  • geeignete Mitarbeiter zu finden,

  • sie zu qualifizieren, betreuen und kontrollieren und

  • ihren Einsatz zu managen.

Nimmt man die Tätigkeiten in der Auftragsbeschaffung, Kundenbetreuung und Verwaltung hinzu, arbeiten Sie als Unternehmer unter Umständen gar nicht mehr in Ihrem "eigentlichen" Beruf. Das muss kein Nachteil sein, nur: Bei Ihrer Entscheidung über die Art Ihrer Gründung müssen Sie sich über die Unterschiede und ihre Folgen im Klaren sein.

Der Weg in die Selbstständigkeit

Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen: Gründungen sind in Deutschland deutlich einfacher, als immer wieder behauptet wird. Das Vorurteil ist übrigens nicht weiter verwunderlich: Die wenigsten Deutschen haben damit nämlich persönliche Erfahrungen. Nicht einmal 10 Prozent aller Erwerbstätigen hierzulande arbeiten selbstständig! Und von diesem Personenkreis wiederum haben noch nicht einmal alle eigenhändig einen Betrieb gegründet.

Dabei gilt § 1 der Gewerbeordnung von 1869 bis auf den heutigen Tag: "Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind."

Gewerbe-Barrieren im Handwerk

Wichtigste Einschränkung dieser Gewerbefreiheit: Noch verlangt die Handwerksordnung für viele "Gewerke" einen Meisterbrief. Doch im Zuge der europäischen Harmonisierung zeichnen sich auch auf diesem Gebiet gründliche Erleichterungen ab. Seit Anfang 2004 gilt der Meisterzwang "nur" noch in 41 statt bislang 94 Berufen. Alt-Gesellen ist die Selbstständigkeit erleichtert worden. Außerdem dürfen viele einfache handwerkliche Tätigkeiten nunmehr auch von ungelernten Dienstleistern angeboten werden.

Ansonsten genügen ...

  • ein geeignetes Produkt oder eine Dienstleistung

  • ein zahlungswilliger und -fähiger Auftraggeber und

  • die schlichte Anmeldung des Gewerbes beim örtlichen Gewerbeamt. (Freiberufler und Selbstständige im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetz brauchen noch nicht einmal einen Gewerbeschein: Sie schicken lediglich eine formlose Mitteilung ans Finanzamt und füllen anschließend einen einfachen Fragebogen aus.)

Übrigens: Wenn Sie Ihre allerersten Gehversuche als selbstständiger Dienstleister unternehmen möchten und noch nicht sicher sind, ob das eine auf Dauer angelegte Geschäftstätigkeit werden soll, dann können Sie mit Gewerbeanmeldung sogar noch warten. Wer gelegentlich ein Auto kauft und wieder verkauft, wird ja auch noch nicht zum Automobilhändler: Ein Gewerbe liegt nämlich erst dann vor, wenn Sie dauerhaft mit Gewinnerzielungsabsicht selbstständig arbeiten. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen und Ihre Anfangs-Einkünfte bei der nächsten Einkommensteuererklärung angeben und ordnungsgemäß versteuern.

Nachteil: Sie kommen leicht in den Verdacht der Schwarzarbeit. Gegenüber kritischen Auftraggebern erschweren Sie damit unter Umständen Ihren anschließenden "richtigen" Start. Spätestens, wenn Sie mit Anzeigen, Flyer, einer Internetseite oder auf andere Weise für sich Werbung machen, sollten Sie Gewerbe- bzw. Finanzamt informieren.

Vorsicht vor Bauernfängern!

Potenzielle Existenzgründer ihrerseits sind eine interessante Zielgruppe: Windige Geschäftemacher versuchen, sich auf ihre Kosten zu bereichern. Lassen Sie sich von solchen Bauernfängern nicht über den Tisch ziehen: "Nebenberuflich 6.340 EUR im Monat" können mit "einfacher PC-Arbeit (keine Verkaufstätigkeit!)" einfach nicht erzielt werden.

Auch die vielversprechend klingenden Strukturvertriebe ("Multi-Level-Marketing", MLM) zahlen sich nur für die wenigsten Nachwuchs-Unternehmer aus: Bei den meisten dieser selbstständigen Außendienstler wird lediglich das persönliche Umfeld abgegrast, der lukrative Aufstieg in der Pyramiden-Hierarchie ist nur in seltenen Fällen möglich.

Vertrauen Sie auf Ihren gesunden Menschenverstand und lassen Sie sich von "sensationellen" Gewinnversprechen nicht blenden. Vor allem aber: Lassen Sie sich für "unschlagbare Geschäftskonzepte" kein Geld aus der Tasche ziehen. Außerdem sollten die Alarmglocken immer dann schrillen, wenn für Material und Warenbestände Vorkasse verlangt wird.

Ausblick

Gewiss: Wer nicht ohnehin mit einem ausgeprägten Geschäftssinn ausgestattet ist oder zum Beispiel Erfahrungen aus einem elterlichen Betrieb mitbringt, für den ist der Tausch "Stütze gegen Chefsessel" bestimmt kein Kinderspiel.

Ganz wichtig: Wenn Sie ...

  • die gewohnte Sicherheit vermissen,

  • wenig kaufmännisches Know-how haben,

  • ein mögliches Scheitern und die damit verbundene "Blamage" befürchten und

  • immer mal wieder an der Tragfähigkeit Ihres Vorhabens und Ihrer Kompetenz zweifeln,

... dann ist das völlig normal. Und Sie befinden Sie sich in bester Gesellschaft: Das geht nämlich allen Gründern so! Qualifizierte und engagierte Arbeitslose, die konsequent die zahlreichen Weiterbildungs- und Fördermöglichkeiten für Existenzgründer nutzen und keine unverhältnismäßigen Risiken eingehen, haben aber zum Glück nichts zu verlieren.

Erfahrungsberichte

In den Beiträgen "Aufträge finden, Honorare steigern? Selbstzweifel beseitigen!" und "Schaf unter Wölfen? Überleben in der Wirtschaftswelt" beschreibt der Autor dieser Seiten, Robert Chromow, wie er ganz persönlich den Wechsel in die Selbstständigkeit erlebt hat.

Dass die Förderung durch die Arbeitsagentur auch für eher unkonventionelle Gründungsprojekte taugt, dass zeigt die Erfahrung von Ines Böttger. Sie wollte das Schreiben zum Beruf machen, als Autorin belletristischer Werke. Und sie hat Ihren Plan auch verwirklicht - mit Förderung der Arbeitsagentur. Ihre Erfahrungen können Sie - in Form einer Anleitung - hier nachlesen:"So habe ich mich als Belletristik-Autorin selbstständig gemacht: Eine Anleitung zur Existenzgründung mit Gründungszuschuss!"