Klar und floskelfrei schreiben: Tipps für einen angenehmen geschäftlichen Schreibstil
Geschäftskorrespondenz ohne "Papierdeutsch": Wir, ich, Sie - eine Frage der Perspektive
Wir, ich, Sie - eine Frage der Perspektive
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Wir benötigen... oder Sie bieten an...? Wir senden Ihnen in den nächsten Tagen ein Austauschgerät oder Sie erhalten in den nächsten Tagen das Austauschgerät?
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Die Perspektive, aus der ein Brief geschrieben ist, ist mehr als ein Stilelement. Ob sie bewußt vertreten oder eher versehentlich eingenommen wurde: Die Perspektive eines Schrifstücks steht in jedem Fall für die Haltung des Absenders zum Empfänger des Briefes.
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Welche Vorzüge hat die direkte Sie-Anrede? Welche Haltungen signalisieren die verschiedenen Anredeformen?
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Wenn Sie Satzkonstruktionen mit der direkten Anrede "Sie" einsetzen, bringen Sie zum Ausdruck, dass der Briefempfänger - der Kunde, potentielle Kunde oder Geschäftspartner - im Mittelpunkt Ihres Interesses steht. Für den Leser ist nicht unbedingt wichtig, was Sie tun, sondern welche Konsequenzen das für ihn hat. Um an das Beispiel von oben anzuknüpfen: Nicht, dass bei Ihnen ein Paket mit dem Austauschgerät zur Post gebracht wird, ist für den Briefempfänger relevant, sondern dass er dieses Gerät bald in den Händen halten kann.
Eine direkte Anrede vermittelt Problemlösungen und Antworten auf Fragen ohne Umwege. Das ist einprägsamer und oft auch ein wirksames Hilfsmittel, um unüberschaubare Satzkonstruktionen zu vermeiden. Überzeugen Sie sich bitte selbst, dass... klingt einfach besser als Wir werden Ihnen im folgenden zeigen, dass...
Ich- und, schlimmer noch, Wir-Formen haben leicht einen schulmeisterlichen Beiklang. Und besonders das "wir" erinnert immer auch an den absolutistischen Plural, mit dem von oben herab Anordnungen beschlossen wurden ("Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden ..."). Wohl zu Recht fühlt sich mancher Leser von einer Formulierung wie: Wir sind der Meinung, damit die beste Lösung gefunden zu haben bevormundet, wohingegen ein Was meinen Sie dazu? auf den Dialog und wiederum die Leser-/ Kundenperspektive setzt.
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Wenn Sie mittels direkter Anrede kundenorientiert formulieren, vermitteln Sie, dass Sie auch kundenorientiert denken. Ganz nebenbei können Sie dadurch das kundenorientierte Denken auch trainieren. Dazu gehört jedoch mehr als die Anrede:
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Überlegen Sie, wer der Empfänger Ihres Schreibens ist.
Was weiß er bereits über das Thema?
Welche Informationen benötigt er noch? Was ist für ihn interessant?
Was kann ihn von Ihren Argumenten (Ihrem Produkt, Ihrer Dienstleistung, Ihrem Standpunkt) überzeugen? Wo liegt für ihn der Nutzen?
Wie reagiert er vermutlich auf Ihre Vorschläge und Argumente?
Legen Sie auch besonderes Augenmerk auf Zeitangaben und Fristen. Konkrete Angaben werden meist als angenehm verbindlich empfunden, müssen dann aber auch eingehalten werden. Sie erhalten die Lieferung in den nächsten Tagen ist schwammig. Sie erhalten die Lieferung in vier Tagen wirft die Frage auf, wann die Zählung der vier Tage denn beginnt. Sie erhalten die Lieferung voraussichtlich am 21.11.2012 ist eine gute, konkrete Zusicherung. Sinnvoll ergänzen können Sie diesen Satz beispielsweise mit Hinweise auf eine eventuelle Online-Paketverfolgung oder eine Servicenummer, bei der der Empfänger sich melden kann.
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Lesergerechte Sprache
Die leserfreundliche Sprache ist also lebendig, persönlich formuliert und setzt auf direkte Ansprache. Wichtig ist auch, dass Sie auf Abkürzungen und fachsprachlicher Termini, die der Empfänger vielleicht nicht kennt, so weit wie möglich verzichten. Manchmal kommt man zwar ums Fachchinesisch nicht herum, wenn man präzise formulieren möchte. Notwendig ist das zum Beispiel oft bei Angeboten oder Ausschreibungen. Expertensprache unter Experten ist ebenfalls erlaubt: Wer sich für einen "nib4j Viewer" interessiert, weiß in der Regel auch, was damit gemeint ist.
Wenn Sie jedoch ohne Not mit Insider-Ausdrücken und Fachsprache um sich werfen, wirken Sie schnell besserwisserisch. Und natürlich sorgen Sie beim Leser für Verständnisprobleme.
Ein möglicher Ausweg aus der "Techsprech"- und Abkürzungs-Falle: Erkären Sie Fachbegriffe, die notwendig sind, kurz - aber nur, wenn der Empfänger sich durch solche Erläuterungen nicht wieder beleidigt fühlt. Abkürzungen können Sie mithilfe einer Klammer elegant einführen: Auf der vierten Jahreskonferenz der Deutschen Gesellschaft zur abgasfreien Fortbewegung (DGafF) standen neue Technologien im Mittelpunkt ...
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Wann "wir" und "ich" gut tun: In einigen Fällen gibt der Satzsinn keine Sie-Konstruktion her. Mitteilungen wie Ich werde erst am Mittwoch wieder in der Firma sein oder Den antistatischen Frisierumhang "Clarabella" produzieren wir inzwischen nicht mehr lassen sich kaum besser und präziser fassen.
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"Ich" ist kein Egotrip - und "man" ein schlechter Ersatz
Wurde Ihnen in der Schule beigebracht, dass es ein Zeichen von unverbesserlichem Egoismus ist, Sätze mit "ich" zu beginnen? Vergessen Sie das wieder! Dosiert eingesetzte "ichs" (und "wirs") sind allemal besser als bemühte Sätze mit "man" oder Passiv-Konstruktionen. Versuchen Sie lieber, Ihren Satzbau umzustellen, wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Text von zu vielen prominent platzierten "ichs" (z.B. am Anfang von Absätzen) wimmelt.
Überhaupt ist dieses "man" oft eine Verlegenheitslösung. "Man" meint alle und keinen, es ist distanziert, vielleicht auch ein wenig höflich-distanziert, verhindert jedoch oft eine präzise, direkte und handlungsmotivierende Ansprache. Seit 20 Jahren war man mit unseren Produkten zufrieden wirkt schwächer und unentschlossener als Unsere Kunden sind seit 20 Jahren mit unseren Produkten zufrieden. Danke für Ihre Nachricht, man kümmert sich umgehend ... erscheint sehr desinteressiert im Vergleich zu Wir danken Ihnen für Ihre Nachricht und kümmern uns umgehend ...