Fachtexte schreiben, die gelesen werden

So finden Sie Ihr Thema: Bedienen Sie die Lesermotivation

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Bedienen Sie die Lesermotivation

Was treibt Leser dazu, Fachtexte zu lesen? Dafür gibt es mehrere Motive:

Nutzwert

Der Nutzwert: Leser von Fachtexten erhoffen sich einen ganz praktischen Nutzen für ihre Arbeit. Typische nutzwertige Themen sind zum Beispiel:

  • "So machen Sie Ihre Buchhaltung effektiver!"

  • "8 Strategien, wie Sie Deadlines besser einhalten"

  • "7 Tipps für die erfolgreiche Telefonakquise"

  • Auch der Mietrechtsexperte kann hier punkten, z. B. mit "Die 15 häufigsten Mietrechtsirrtümer: Schluss mit den Märchen!"

Wählen Sie ein Thema, das Ihren Lesern einen ganz konkreten Nutzen verspricht - und auch bringt, Sie wollen ja nicht nur Erwartungen wecken, sondern später auch erfüllen. Besonders brisant und nutzwertig sind Themen, wenn sie vor Fallstricken warnen oder bares Geld sparen und wenn sie dabei helfen, ein Problem zu beseitigen:

  • "Abmahnung: Worauf Arbeitgeber beim Inhalt achten müssen"

  • "Neue Pauschalen für Geschäfts- und Dienstreisen ins Ausland"

  • "Forderungsmanagement: die 20 häufigsten Irrtümer bei Mahnen, Inkasso & Co"

  • "Projektkrisen entdecken und gegensteuern" Aber auch:

  • "Was Sie bei Kündigung und Auszug beachten müssen: Abschied ohne Kummer"

Mit dem Nutzen eines Themas haben Sie ein ganz entscheidendes Kriterium für einen guten Fachtext gefunden.

In diesem Punkt sind Fachtexte eng mit journalistischen Ratgeberformaten verwandt: Von der Brigitte-Diät bis zu Ratgeber Recht, vom Gesundheitsmagazin Praxis bis zur Computerseite in der Tageszeitung: Ratgeberthemen vermitteln Einsichten zum Erkennen eines Problems und geben Hinweise für ihre Bewältigung. Kurz: Sie zeigen, wie man es macht: Wie man seine Balkonpflanzen vom Mehltau befreit oder zehn Kilo abnimmt, wie man Steuern spart oder sein Geld gewinnbringend anlegt - und worauf man beim Mietvertrag achten muss.

Der Journalist leistet mit seinem Ratgebertext immer "Hilfe zur Selbsthilfe". Der Unterschied zum Fachtext: Im Ratgebertext geht es meistens um Alltagsprobleme (Diät, Gesundheit, Handwerk, Haus, Garten ...) - es werden immer Laien angesprochen und die Beiträge richten sich an ein Massenpublikum. In Ihrem Fachtext geht es vor allem um Herausforderungen, die der Beruf mit sich bringt, der Adressatenkreis ist wesentlich spezifischer - und die Adressaten können ebenfalls vom Fach sein. Die Grundidee ist aber die gleiche: Sie zeigen in der Regel, wie man's praktisch macht - und machen das Berufsleben des Lesers an einer Stelle einfacher.

Doch es gibt noch mehr Kriterien, die für Leser eine Rolle spielen können:

Die Störung des Alltäglichen

Walther la Roche zitiert in seinem Standardwerk für Journalisten John B. Bogart, einen Lokalredakteur der amerikanischen Zeitung "Sun". Dieser hat im Jahre 1880 die inzwischen klassisch gewordene Definition für die Nachricht gegeben: "When a dog bites a man, that's not news, but when a man bites a dog, that's news." In amerikanischen Journalistenschulen spricht man von der Man-bites-dog-Formel. Das heißt: Das zu Berichtende muss sich vom Alltäglichen unterscheiden, muss in irgendeiner Hinsicht ungewöhnlich sein. "News is what's different" lautet deshalb eine andere Definition amerikanischer Journalisten: Nachricht ist, was sich unterscheidet. Das gilt nicht nur für journalistische Nachrichtentexte, sondern kann auch Ihre Fachtexte interessant machen. Zeigen Sie zum Beispiel ungewöhnliche Lösungen, auf die Ihr Leser nicht gekommen wäre. Oder stellen Sie in Ihrem Fachtext eine These auf, die quer zum Mainstream steht, die provoziert - und deshalb neugierig macht: z. B.

  • "Schluss mit dem Schmusekurs in den Chefetagen"

  • "Wenn sich Teammitglieder prügeln könnten" (Fallbeispiel: Mediation bei einem Maschinenbauer)

  • "Es geht auch ohne Lehrer" (über neue Lernkonzepte in der Weiterbildung)

  • "Leiden wir an den Folgen von Denkfehlern?"

Aktualität

Alles, was neu ist, ist für uns interessant. Von unserer Neu-Gier leben die Medien. Der Wunsch nach aktuellen Informationen ist groß - auch in der Fachwelt. Bringt mir eine neue Gesetzesänderung Vor- oder Nachteile? Welche Auswirkungen hat Basel III auf mein Geschäft? Wie wirkt sich der neue Datenschutz auf die Bonitätsprüfung aus? Und der schon erwähnte Mietrechtsexperte findet sein Themenfutter auch in aktuellen Gerichtsurteilen des Bundesgerichtshofes (BGH). Denn die Urteile des höchsten deutschen Zivilgerichtes haben Signalwirkung für alle anderen Gerichte - sind also nicht nur für einen konkreten Fall relevant. Titelt der BGH in einer Pressemitteilung zu einem Urteil "Kostenerstattungsanspruch des Mieters bei unwirksamer Endrenovierungsklausel", so findet sich hier ein aktuelles Thema für die Leser: Denn Mieter können sich laut BGH ihre Renovierungskosten von ihrem Vermieter zurückholen, wenn sie auf Grund einer unwirksamen Renovierungsklausel ihre Wohnung beim Auszug renoviert haben. Das ist natürlich auch für Vermieter eine brisante Information, denn sie müssen eventuell ihre Mietverträge anpassen.

Je zeitnaher Sie sich mit den Auswirkungen eines Ereignisses für Ihre Leser beschäftigen, desto brisanter ist das Ganze noch - und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Thema gerade unter den Nägeln brennt.

Ein Grundproblem aller Fachtextautoren ist jedoch, dass die Bandbreite an Themen in einem Fachgebiet begrenzt ist. Es gibt selten wirklich völlig neue Themen, es sei denn, Sie können über die schon erwähnte Gesetzesänderung berichten und welche Auswirkungen das auf Ihre Leser hat. Doch anders als im Nachrichtenjournalismus muss Ihr Artikelthema nicht tagesaktuell sein. Das entspricht auch nicht den Produktionszyklen der Fachmagazine, die den Großteil Ihres Heftinhaltes schon Monate im Voraus planen.

Das heißt für Ihre Themenfindung: Es geht weniger um das Finden von ganz neuen Themen als vielmehr um das Entwickeln von interessanten Lösungen oder ungewöhnlichen Aspekten, die möglichst nützlich für Ihre Leser sind. Denn wichtig ist, dass Sie das Thema da aufgreifen, wo es den Leser betrifft.

Persönliche Betroffenheit

Jeder, der persönlich betroffen ist von einem Thema, liest mit besonders großem Interesse. Habe ich ein Homeoffice, das ich steuerlich absetzen kann? Dann lese ich gespannt den Artikel über die neuen Abschreibungsregeln für das Homeoffice. Ich muss dazu nicht die Geschichte des Steuerrechts oder jeden Paragraphen kennen, der hier relevant ist - und ich muss auch nicht alles über Abschreibungsregeln für geringwertige Wirtschaftsgüter erfahren. Das wäre nämlich ein anderes Thema. Als Besitzer eines Homeoffice ist für mich relevant, welche Kosten ich in Zukunft absetzen kann und dass ich die Möglichkeit habe, auch rückwirkend bestimmte Kosten geltend zu machen. Und dass ich damit Steuern spare. Die Frage, die Sie sich beim Formulieren Ihres Themas stellen sollten, lautet also: Welche Relevanz hat das Thema in der Lebenswirklichkeit meines Lesers?

Bei manchen Themen macht die persönliche Betroffenheit den Unterschied aus. Je nachdem, wer Ihre Adressaten sind, werden sie andere inhaltliche Aspekte betrachten. So kann das Thema "Sonderurlaub: Welche Tage Angestellten zustehen" von Arbeitgeberseite und von Arbeitnehmerseite unterschiedlich betrachtet und bewertet werden. Wie bin ich als Arbeitgeber von dieser Regelung betroffen und wie als Arbeitnehmer? Für wen schreiben Sie in diesem Fall? Erst wenn Sie diese Frage beantwortet haben, können Sie eine klare Botschaft - Ihren "Küchenzuruf" - formulieren.