Schein-Argumente zur Zwangsrente (II): Wissenschaftlich unhaltbare Studie der Versicherungswirtschaft

Anmerkungen zu einer Kampagne, Teil 2: Eine vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft kofinanzierte Studie pro Zwangsrente ist wissenschaftlich unhaltbar

Befürworter einer Zwangsrente für Selbstständige berufen sich auf die MEA-Studie von 2009. Doch diese Studie ist wissenschaftlich nicht haltbar. Außerdem wurde sie von der Versicherungswirtschaft kofinanziert.

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In der Debatte um die Zwangsvorsorge für Selbstständige wird oft auf die sogenannte "MEA-Studie 2009" Bezug genommen. Die MEA-Studie 2009 wurde jedoch vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft kofinanziert und ist damit alles andere als unabhängig. Hinzu kommt, dass sie zu anderen Zahlen gelangt, als sie das Statistische Bundesamt für den gleichen Zeitraum beim jährlichen Mikrozensus tatsächlich ermittelt hat. Teil 2 unserer Serie zu den Hintergründen der Zwangsrente für Selbstständige.

MEA-Studie 2009: Die FAZ berichtet exklusiv von "erschreckenden Ergebnissen"

Am 08.09.2009 erscheint der Artikel "Einem Zehntel der Selbständigen droht Altersarmut" in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ):

Eine neue Studie zur Altersarmut kommt zu erschreckenden Ergebnissen: Mehr als zehn Prozent der Selbstständigen verdienen nicht genug, um aus ihrem Nettoeinkommen einen ausreichenden Betrag zu sparen, der ein Alterseinkommen auf dem Niveau der Grundsicherung garantiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) auf der Basis neuer Daten zur Vorsorgefähigkeit, zur Vorsorgebereitschaft und zum Vorsorgeniveau. Danach droht außerdem einem Fünftel der Selbständigen (21 bis 22 Prozent) eine "relative Armut" mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens ...

Die Nachricht der FAZ verbreitet sich bald in anderen Medien, und das auch noch als Langzeitbrenner. So ist am 21.10.2010 in der Zeit im Beitrag "Fürsorge statt Vorsorge - Immer mehr Selbständigen droht Altersarmut. Die Politik kennt das Problem, ignoriert es aber" mit Bezug auf die MEA-Studie von Michael Ziegelmeyer zu lesen:

Wie man es auch dreht und wendet, was man nun als arm bezeichnet und welche Vergleichsgrößen man bemüht: Zwischen zehn und dreißig Prozent der Selbständigen sind nach seinen statistischen Analysen nicht in der Lage, selbst im Alter für sich zu sorgen, ohne dafür schon im Erwerbsleben unter die Armutsgrenze zu fallen. .. so spricht für mindestens eine halbe Million Selbstständiger in Deutschland der kühle ökonomische Verstand dafür, das Sparen lieber zu lassen. Und statt auf private Vorsorge auf staatliche Fürsorge zu vertrauen.

Über solche - leider typischen - Veröffentlichungen wird die neu entdeckte, angeblich drohende Altersarmut Selbstständiger inszeniert, allen Selbstständigen in Bausch und Bogen ein "Trittbrettfahrerverhalten" angedichtet und die Politik zum Handeln aufgefordert.

Kein Journalist überprüft, wie diese "erschreckenden Ergebnisse" der von der Versicherungsbranche finanzierten manipulativen MEA-Studie eigentlich zustande kommen. Die MEA-Studie spielt bis heute eine wichtige Rolle bei Vorsorgelobbyisten, Medien, Sozialpolitikern und öffentlicher Meinung.

Mittels plumper Tricks gelang es in der MEA-Studie, bei Selbstständigen mit 27 % eine dreifach höhere Armutsgefährdungsquote zusammenzurechnen, als das Statistische Bundesamt für den gleichen Zeitraum beim jährlichen Mikrozensus tatsächlich ermittelt hat!

MEA-Studie: kofinanziert vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

Auf Seite 1 der im August 2009 veröffentlichten MEA-Studie "Das Altersvorsorgeverhalten von Selbständigen" bedankt sich der Autor Michael Ziegelmeyer zunächst beim "Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft" für die Mitfinanzierung der Studie. Nun ist diese Kofinanzierung für sich genommen kein Mangel. Jedoch war schon bei der von der Deutschen Rentenversicherung in Auftrag gegebenen Studie AVID 2005 erkennbar, dass es dort darum ging, den Selbstständigen in Deutschland besonders bedrohliche Altersarmutsgefahren unterzuschieben. Eine Tendenz der Studienergebnisse ist also durchaus festzustellen. (Die AVID-2005-Studie verzerrte die realen Lebensumstände selbständiger Unternehmer und kam zu dem Schluss, dass Selbstständige umso eher von Altersarmut bedroht seinen, je länger sie selbständig wären. Grundlage für diese nicht haltbare Aussage bildeten völlig defizitäre und willkürlich zusammengeschusterte Daten.)

Wer mangelhaft fürs Alter vorsorgt ist ein Trittbrettfahrer

Gleich zu Beginn wird in der MEA-Studie manipulativ und ohne jegliche Argumente behauptet, die "bedürftigkeitsorientierte Grundsicherung im Alter [...] begünstigt Trittbrettfahrerverhalten von Individuen". Für die Individuen könne es "optimal" sein "während des Erwerbslebens das Einkommen zu konsumieren und im Alter auf die Ressourcen der Allgemeinheit zurückzugreifen." (Studie, S. 5).

Zwar liegen für dieses angebliche Trittbrettfahrer-Verhalten keinerlei statistische Daten vor, trotzdem hebt der Autor der Studie, Michael Ziegelmeyer, das Wort "Trittbrettfahrerverhalten" in der Studie gefettet hervor. Im Mai 2012 übernimmt dann Arbeitsministerin Ursula von der Leyen dieses Bild und bezeichnet Selbständige ohne Zwangsvorsorge als "Trittbrettfahrer der Allgemeinheit".

Weiterhin behauptet die Studie:

  • "mindestens 10 % der Haushalte mit selbstständigem Haupteinkommensbezieher sind nicht in der Lage, aus ihrem Nettoeinkommen einen ausreichend großen Betrag zu sparen, der ein Alterseinkommen auf dem Niveau der Grundsicherung im Alter sicherstellt." (S. 1)

  • "2005 – 2007 ... liegen die individuellen Nettoeinkommen von etwa 27 % aller Selbstständigen unter der relativen Armutsgrenze." (S. 13)

  • dass "26% in der Klasse der über 55-Jährigen nicht in der Lage sind, den Vermögensbedarf zur Abdeckung der Grundsicherung ab 65 Jahren zu gewährleisten." (S. 26)

Tatsächlich ist die Studie für irgendwelche Aussagen über die zukünftige Altersarmut Selbständiger völlig unbrauchbar.

Erste Tricks durch Manipulation der Datenbasis

Zunächst stellt sich MEA-Studie mittels zweier Tricks eine Datenbasis aus den SAVE-Umfragedaten 2005 bis 2007 gewollt so zusammen, dass ein möglichst hoher Prozentsatz gering verdienender Selbstständiger herauskommt, auch wenn diese teilweise gar keine Selbstständigen sind. Da mit einem geringen Einkommen keine Altersvorsorge betrieben werden kann, droht den gering verdienenden Selbstständigen später besonders viel Altersarmut.

Im Einzelnen:

Trick 1: Verwandle einkommensarme Unselbstständige in Selbstständige. Das ergibt eine besonders hohe Altersarmutsquote für Selbständige

Vor der Auswertung der Daten der SAVE-Befragung wirft man in der Studie sämtliche 33 Personen aus der dort erfassten Gruppe "mithelfende Familienangehörige" in den Topf der 222 befragten tatsächlichen "Selbstständigen" hinein. Die Begründung der Studie für dieses Vorgehen ist abenteuerlich: "Die Gruppe der mithelfenden Familienangehörigen wurde, obwohl nicht selbstständig, der Gruppe (Selbstständige) hinzugefügt ... da hier ebenfalls die verstärkte Gefahr einer nicht ausreichenden Alterssicherung vorliegt." (S. 8) Diese mithelfenden Familienangehörigen erhöhen die Zahl der tatsächlich Selbstständigen um 15 %. Und die Gruppe mutiert deshalb zu Selbstständigen, weil ihnen verstärkte Altersarmut droht (!). Das führt, logisch, später in der FAZ zu den "erschreckenden Ergebnissen" bei der Selbstständigen angeblich drohenden Altersarmut.

Die 33 Nicht-Selbstständigen in der SAVE-Befragung werden zu Selbstständigen gemacht, obwohl hier 100 % der Befragten angaben, dass sie später Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erwarten (MEA-Studie, S. 24). Eine an sich hier zwingend gebotene Überprüfung des Sozialversicherungsstatus dieser 33 Personen anhand Frage 21 der SAVE-Umfrage hätte zu eindeutigen Erkenntnissen geführt, in welchen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bzw. Minijobs sich diese Personen befinden. Gemäß telefonischer Auskunft von Infratest wird die SAVE-Befragung nicht durch Interviewer geführt. Vielmehr füllen die Befragten den postalisch übermittelten Fragebogen frei selbst schriftlich aus.

Die geschätzten 500.000 bis 1.000.000 mithelfenden Familienangehörigen in Deutschland "zahlen in der Regel als Angestellte in die Sozialversicherungssysteme ein und fühlen sich so abgesichert" erläutert die Swiss Life Deutschland. Weil es – wie die IKK Südwest bemerkt – für mithelfende Familienangehörige "in der Regel vorteilhaft (ist), durch ihre Beschäftigung sozialversichert zu sein."

Mithelfende Familienangehörige wie Kinder, Ehepartner, Oma, Opa, Onkel, Tante usw. werden somit meist sozialversicherungspflichtig für kleinen Lohn als Teilzeit-Helfer beschäftigt. Auch für privat krankenversicherte Selbständige ist dies mit Blick auf die Familie vorteilhaft. Denn die übrigen Familienmitglieder müssen dann nicht über die PKV mitversichert werden. Mit eigenem SV-Job sind diese Familienmitglieder aber trotzdem preiswert kranken- und pflegeversichert.

Vorteilhaft ist ein SV-Job für Familienangehörige auch deshalb, da kleine eigene Einkommen für im Familienbetrieb mithelfende Kinder im Studium etc. steuerfrei sind und den Einkommensteuersatz des Selbstständigen entsprechend mindern. Statt für die Mithilfe ein Taschengeld zu geben, lohnt sich ein kleiner sozialversicherungspflichtiger Job. Derartige Tipps kann jedermann solchen Einkommensteuerbestsellern wie "1.000 ganz legale Steuertricks" von Konz entnehmen.

Mit der statistischen Manipulation, 33 mithelfende Familienangehörige mit Niedrigsteinkommen in Selbstständige zu verwandeln, erhöht die MEA-Studie jedenfalls die Altersarmuts-Gefährungsquote Selbständiger zunächst durch Beimischung geringverdienender Nicht-Selbständiger. Und zwar um rund 15 %.

Trick 2: Addiere schlechter verdienende Freiberufler zu der Gruppe der Selbstständigen. Die besser verdienenden Freiberufler lässt du besser weg. So kannst du die Selbstständigen drohende Altersarmut noch weiter erhöhen.

Mit Trick 2 wird in der Studie erneut das Prinzip angewandt: "Rühre Geringverdiener in den Selbstständigen-Topf, dann erhöht sich die für Selbstständige prognostizierbare Altersarmutsquote".

Mit Trick 2 schließt man die Gutverdienergruppe unter den Freiberuflern aus. Freiberufler mit Niedrigeinkommen rechnet man dagegen zu Selbstständigen: "Die ausgeschlossene Gruppe hat auch ein signifikant höheres individuelles Nebeneinkommen, was für Freiberufler wie Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater spricht, die in den jeweiligen berufsständischen Versorgungswerken abgesichert sind." Das individuelle Nettoeinkommen der ausgeschlossenen Gruppe "liegt im Median bei 27.000 € und damit um 12.646 € höher als bei Freiberuflern, die keine Anwartschaft aus der BSV erwarten." Der Rausschmiss höherverdienender Freiberufler bei den Selbständigen erfolgt, obwohl der Autor für seinen Betrachtungszeitraum selbst feststellt: "In SAVE 2005 bis 2008 gibt es keine Frage, die es ermöglicht, obligatorisch und nicht obligatorisch abgesicherte Selbständige anhand einer eigenen Frage zu unterscheiden." (Anmerkung 8 auf S. 8)

Einziger Grund ist offenbar das hohe Einkommens der ausgeschlossenen Gruppe. So stellt die Studie ebenso fest, dass insgesamt über 80 % der Freiberufler ein späteres Renteneinkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) erwarten (S. 24). Diese 80 % Freiberufler, die Alterseinkommen aus der GRV erwarten, schließt man jedoch nicht aus. Der Grund liegt darin, dass es hier ja so viele sind: "Da die meisten selbstständig Tätigen eine Anwartschaft in der GRV erwarten, wurde hier keine Beschränkung der Kategorie vorgenommen." (S. 8).

MEA-Studie wissenschaftlich nicht haltbar

Die Studie definiert zunächst Nicht-Selbständige mit Armutseinkommen sowie gering verdienende Freiberufler in Selbstständige um. Gut verdienende Freiberufler schließt sie dagegen von der Gruppe Selbständige aus. Danach sollte es niemand mehr wundern, wenn die Studie bei den Selbstständigen-Einkommen eine Armutsgefährdungsquote von 27 % feststellen kann.

Hingegen ergab sich beim Statistische Bundesamt beim Mikrozensus für den Zeitraum 2005 bis 2008 unter Anwendung seriöser und aufwendiger Befragungen für den gleichen Zeitraum 2005 bis 2008 für Selbstständige eine jährlich sinkende Armutsgefährdungsquote von 9,1 % bis 8,3 %.

Über die oben beschriebenen Tricks errechnet sich die MEA-Studie 2009 somit gleich mehr als dreimal soviele armutsgefährdete Selbstständige zusammen, als das Statistische Bundesamt über den jährlichen Mikrozensus für den gleichen Zeitraum ausweisen kann. Das diese Studie die ihr krass widersprechenden Mikrozensus-Zahlen nicht diskutiert, sondern einfach ignoriert, verdeutlicht ihr wissenschaftliches Niveau.

"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast." (Winston Churchill)

MEA-Studie prognostiziert Altersarmut und vernachlässigt die Rentenansprüche von 80 % der Selbstständigen

Stellen Sie sich folgenden (fiktiven) tolldreisten Fall vor:

Coca-Cola finanziert eine wissenschaftliche Studie zum Getränkevorratsverhalten in Selbstständigen-Haushalten ab 55 Jahren. Die FAZ berichtet von erschreckenden Zahlen aus der Studie: "26 % aller Selbstständigen ab 55 Jahre drohen zu verdursten, da ihre Haushalte über keine ausreichenden Getränkevorräte verfügen". Medien, Bevölkerung und Politik sind alarmiert. Die Studie befragte Selbständige ab 55 Jahre nach den im Haushalt vorhandenen Vorratsmengen von Cola, Fanta und Sprite. Andere Getränkevorratsmengen oder ein Fließwasseranschluss wurden nicht erfasst. Einschränkend stellt die Studie fest, die ermittelte Verdurstungsquote von 26 % aller Selbstständigen ab 55 Jahren sei als Maximalwert einer zukünftigen Verdurstungswelle zu betrachten.

Dieses Beispiel ist natürlich pseudowissenschaftlicher Humbug. Aber ganz ähnlich wird in der MEA-Studie zur Altersvorsorge Selbstständiger argumentiert:

  • "In der Altersklasse über 55 Jahren können ... 26 % der Haushalte mit selbstständigem Einkommensbezieher den Vermögensbedarf zur Deckung der Grundsicherung im Alter nicht erbringen" (vgl. Studie, S. 1)

  • dabei werden die "in obligatorischen Altersversorgungswerken erworbenen Anwartschaften" (S. 1) nicht berücksichtigt, da im SAVE-Fragebogen "erworbene Anwartschaften in der ersten Säule nur als ja/nein Fragen erhoben ..." werden.

In den SAVE-Befragungen unterließ man es also grundsätzlich, die Befragten nach der Höhe ihrer erreichten gesetzlichen Rentenanwartschaften zu fragen. Man fragte nur, ob solche existieren. Obwohl beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung diese Zahlen den Betroffenen ja jährlich übermittelt. Über 80 % der befragten Selbstständigen geben bei den SAVE-Umfragen an, dass sie spätere GRV-Rentenzahlungen erwarten.

Trotzdem rechnet die MEA-Studie aus, dass 26 % aller 55-jährigen Selbstständigen zu wenig Vermögen besitzen, um davon ihren Lebensunterhalt im Ruhestand zu finanzieren. Diese Aussage muss bei Lesern und den Medien den Eindruck einer massiven drohenden Altersarmut bei den Selbstständigen erwecken. Folgende von Selbstständigen und Freiberuflern selbst erwartete Alterseinkommen bleiben bei dieser Aussage der MEA-Studie außen vor:

Aus Tab. 9 MEA-Studie, S. 28: Erwartete Alterseinkommen in % von

113 Freiberuflern

222 Selbstständigen

Gesetzliche Rentenversicherung

80,5 %

80,6 %

Beamtenversorgung

0,9 %

0,9 %

Berufsständische Versorgung

22,1 %

3,6 %

Sonstige Alterseinkommen

14,2 %

10,4 %

Bei den mithelfenden Familienangehörigen als Nicht-Selbstständigen (die die MEA-Studie als Selbstständige ausgibt) erwarten gar 100 % GRV-Renten.

Beim SAVE-Datenmaterial (als Grundlage der MEA-Studie) bestehen schwerste Defizite hinsichtlich des zukünftigen Alterseinkommens, insbesondere bezüglich der Höhe der jeweils durch Selbstständige bereits erworbenen zukünftigen Rentenansprüche. Auch sonstiges erwartetes Alterseinkommen (z. B. Mieteinnahmen aus Immobilieneigentum) existiert in der Berechnung nicht.

Aus der MEA-Studie kann daher keinerlei seriöse Aussage bezüglich der wirklichen Altersvorsorgesituation Selbstständiger getroffen werden. Zusätzlich definiert die MEA-Studie auch noch - wie oben beschrieben - einfach armutsgefährdete Nicht-Selbständige in Selbstständige um, um bei Selbstständigen noch mehr Altersarmut zu fingieren.

Vergleich AVID-2005-Studie und MEA-Studie 2009

Vergleicht man die Methodik und Ergebnisse der AVID-2005-Studie, die von der rentensozialistischen Lobby Deutsche Rentenversicherung in Auftrag gegeben wurde, mit den Ergebnissen der MEA-Studie 2009, die wiederum von der Versicherungsbranche finanziert ist, ergibt sich:

  • Beide Studien blenden durch grobe Unterlassungen bei den Erhebungen wesentliche Einkommenselemente der Selbstständigen in Deutschland aus.

    Die Deutsche Rentenversicherung unterlässt es einfach, die bei Selbstständigen besonders wichtigen Vermögenswerte und daraus sich ergebenden Einkommen abzufragen und bei der Voraussage der zukünftigen Altersvorsorge-Einkommen zu berücksichtigen. So kann man sich drohende Altersarmut besonders bei den Selbstständigen zusammenreimen.

    Hingegen hat man es bei der SAVE-Befragung einfach umgekehrt unterlassen, die erheblichen Ansprüche des größten Teils der Selbstständigen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zu ermitteln. Entsprechend niedrig fällt auf dieser Datenbasis in der MEA-Studie das Alterseinkommen Selbstständiger aus.

  • Offenbar wollen beide Vorsorge-Lobbygruppen in keiner Weise die Wahrheit über die zukünftige Altersvorsorge-Situation Selbstständiger in Erfahrung bringen. Vielmehr jubelt man mit diversen Statistik-Tricks den Selbstständigen eine möglichst hohe Altersarmuts-Quote unter oder produziert damit künstlich Armutshinweise.

Selbstständige als "Flashmob" – Methodischer Ansatz der MEA-Studie geht daneben

In Anhang C zur Stichprobe stellt die MEA-Studie auf S. 36 beim Berufsstand Selbständige fest, dass im jeweiligen Folgejahr bei der Befragung gleicher Personen und Haushalten plötzlich rund 30 % aller "Selbstständigen" diesen Status nicht mehr besitzen.

30 % der Befragten ändern offenbar, wie ein Flashmob, von einem Jahr zum anderen ihren Erwerbsstatus.

Das dürfte der Grund dafür sein, warum die Studie zwar die über drei Jahre ermittelten SAVE-Daten verwendet, den Betrachtungszeitraum für Selbstständige jedoch auf maximal zwei Jahre reduziert. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Studie bei einem Beobachtungszeitraum von drei Jahren wohl nicht mehr genug Selbständige hätte, um überhaupt noch signifikante Aussagen zu treffen.

Dieser Umstand verdeutlicht ein weiteres grundsätzliches Defizit der MEA-Studie: Der methodische Ansatz wird der Wirklichkeit der Erwerbs-Biografien der Befragten nicht gerecht.

Die Selbstständigen in Deutschland passen nicht in das von der Studie konstruierte Konzept lebenslänglicher Dauerselbstständigkeit. Selbstständigkeit ist bei den meisten Befragten offenbar nur ein Teil ihrer Erwerbsbiografie. Meist können die zum jeweiligen Zeitpunkt befragten Selbstständigen erhebliche Rentenbeitragszeiten als ehemalige Arbeitnehmer, ggf. auch Ruhegeldansprüche als Beamte, vorweisen. Wegen geringerer Selbstständigenzeiten dürfte hier das Ansparvermögen für die spätere private Altersvorsorge geringer ausfallen. Dafür wären dann die erworbenen Rentenansprüche viel höher. Trotzdem nimmt die Studie in diesen Fällen das für eine Altersvollversorgung unzureichende Ansparvermögen Selbstständiger als Vorwand, ihnen drohende Altersarmut zu unterstellen. Durch Renten bereits gut versorgte Personen ohne viel Vermögen, die sich zwischenzeitlich selbständig gemacht haben, rücken durch die Studie ins Licht von altersarmutgefährdeten Personen.

Hinsichtlich der Frage der Altersarmutsgefährdung Selbstständiger macht die Studie somit eine hahnebüchene Milchmädchenrechnung auf. Allerdings liegen die "erschreckenden" (FAZ) Studienergebnisse voll auf Linie der Vorsorge-Lobbys. Diese benötigen ja "Argumente" für die gesetzliche Zwangsvorsorge Selbständiger.