Scheinselbstständigkeit: Gegenargumente, Kriterien, Vorbeugung
Kriterien für Scheinselbständigkeit
Kriterien für Scheinselbständigkeit
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Wenn ein Scheinselbständiger und sein Auftraggeber bewusst eine Selbständigkeit vortäuschen, um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, kann das strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das vorsätzliche Handeln soll hier jedoch kein Thema sein.
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Zum wirklichen Problem wird die Scheinselbstständigkeit für alle Beteiligten, wenn sie niemandem bewusst war. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) im Rahmen einer Prüfung fest, dass die vermeintliche Selbstständigkeit gar keine ist, kann es für den Arbeitgeber wie für den Scheinselbstständigen teuer werden. Es müssen dann nicht nur Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden, sondern es können sich vielmehr auch arbeitsrechtliche, gewerberechtliche, steuerrechtliche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen ergeben.
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Eines der größten Probleme besteht darin, dass der Begriff der Scheinselbstständigkeit nicht eindeutig definiert und geregelt ist. In § 7 Absatz 1 SGB IV heißt es dazu lediglich:
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"Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers."
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Der Gesetzestext nennt also nur zwei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung. Diese sind jedoch nicht abschließend und es gibt keine Anhaltspunkte, wie man umgekehrt eine selbständige Tätigkeit erkennt. Die gesetzliche Definition der Scheinselbständigkeit allein hilft also in der unternehmerischen Praxis nicht viel weiter.
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Ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt, wird im konkreten Einzelfall geprüft – unter Mitwirkung von Auftraggeber und Auftragnehmer. Im Zweifelsfall fungieren die Gerichte als letzte Instanz.
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Früher gab es per Gesetz fünf so genannte Vermutungskriterien für eine Scheinselbstständigkeit. Kamen Auftraggeber und Auftragnehmer ihren Mitwirkungspflichten nicht nach und ließ sich der Fall nicht mit letzter Sicherheit einschätzen, reichte es für die Annahme einer Scheinselbstständigkeit aus, wenn drei der fünf Kriterien erfüllt waren.
Seit 2003 stehen die Vermutungskriterien jedoch nicht mehr im Gesetz. Ein Grund zur Entwarnung ist das aber nicht. Lediglich die Beweisführung, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, ist für die Sozialversicherungsträger schwieriger geworden. Die Beweislast, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, liegt übrigens komplett beim DRB.
Auch wenn der Gesetzestext nur noch zwei Anhaltspunkte anstatt zuvor fünf Vermutungskriterien enthält, sind Letztere damit nicht vom Tisch. Sie spielen bei der Prüfung des Einzelfalls immer noch eine erhebliche Rolle:
Der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten.
Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die der Auftragnehmer für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
Der "Selbstständige" beschäftigt regelmäßig keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer.
Er ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
Es fehlt "unternehmertypisches" Handeln.
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Was heißt denn das konkret?
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"Auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig"
Wer etwa 5/6 seiner Zeit nur für einen Auftraggeber tätig ist und die Tätigkeit nicht nur projektbezogen, im voraus begrenzt und vorübergehender Art ist, läuft zumindest akut Gefahr, als scheinselbstständig eingestuft zu werden.
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"Regelmäßig keine sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer"
Ein Mitarbeiter mit einem Minijob reicht hier nicht aus und auch die Putzhilfe im Privathaushalt zählt nicht mit. Es muss sich um eine im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handeln.
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"Kein unternehmertypisches Handeln"
Anhaltspunkte sind z. B.: Keine eigene Werbung, keine nachweisliche Akquise, keine eigenen Geschäftsräume, kein eigenes Firmenschild, keine Homepage (oder eine mit kontraproduktiven Aussagen in punkto Selbstständigkeit), kein eigenes Briefpapier/Visitenkarten etc.
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In ihrem Merkblatt "Selbständig – Wie die Rentenversicherung Sie schützt" konkretisiert die Deutsche Rentenversicherung die oben genannten Anhaltspunkte. Merkmale für eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind demnach:
die uneingeschränkte Verpflichtung, allen Weisungen des Auftraggebers Folge zu leisten;
die Verpflichtung, bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten;
die Verpflichtung, dem Auftraggeber regelmäßig in kurzen Abständen detaillierte Berichte zukommen zu lassen;
die Verpflichtung, in den Räumen des Auftraggebers oder
an von ihm bestimmten Orten zu arbeiten;
die Verpflichtung, bestimmte Hard- und Software zu benutzen, sofern damit insbesondere Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers verbunden sind.
Weiter heißt es in dem Merkblatt:
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Wer dagegen tatsächlich selbständig ist, trägt das unternehmerische Risiko in vollem Umfang selbst und kann seine Arbeitszeit frei gestalten. Der Erfolg des finanziellen und persönlichen Einsatzes ist dabei ungewiss und hängt nicht von dritter Seite ab. Wichtig für die Beurteilung, ob Sie selbständig sind, ist vor allem die Ausgestaltung von Verträgen mit Ihren Geschäftspartnern. Aber nicht immer sind die Worte auf dem Papier deckungsgleich mit der Realität. Daher kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an, falls der berufliche Alltag vom Vertrag abweicht.
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Während die Merkmale, die für eine Scheinselbstständigkeit sprechen, noch relativ konkret sind, wird es spätestens bei den Kriterien für eine "echte" Selbständigkeit schwierig.
Klar ist, dass "kreative" Formulierungen in den Verträgen nicht ausreichen und in der Regel nicht wasserdicht sind, wenn der Vertrag in der Praxis ganz anders "gelebt" wird.
Wird aus dem Arbeitnehmer z. B. ein "freier Mitarbeiter", spart der Auftraggeber Sozialversicherungsbeiträge, vermeidet längerfristige vertragliche Bindungen und umgeht lästige Arbeitnehmerrechte wie z. B. bezahlten Urlaub. Der "freie Mitarbeiter" arbeitet dann auf vermeintlich selbständiger Basis als Freiberufler oder Gewerbetreibender für seinen (einen) Auftraggeber und ist meist froh, überhaupt Geld zu verdienen. War der in Wahrheit gar nicht so freie "freie Mitarbeiter" schon vorher in demselben Unternehmen und in womöglich gleicher Tätigkeit als Arbeitnehmer beschäftigt, klingeln bei den Betriebsprüfern natürlich sofort die Alarmglocken.
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Im Interesse beider Vertragspartner sollte der Vertrag die wichtigsten gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und deutlich regeln.
Mitunter behaupten Fachleute auch das Gegenteil, also man sollte so wenig wie möglich regeln, um den Betriebsprüfern der DRB keine Ansatzpunkte zu liefern. Das kann ich aus verschiedenen Gründen nicht empfehlen. Denn dieser Tipp ist zu einseitig auf die DRB ausgerichtet und vernachlässigt die eigentliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Je weniger nun geregelt ist, umso mehr Auslegungsspielraum besitzt der stärkere Vertragspartner (und umso weniger Rechte kann der Schwächere im Fall der Fälle beweisen).
Allzu detaillierte vertragliche Gestaltungsversuche sind allerdings auch nicht zu empfehlen, weil das Betriebsprüfer skeptisch macht. Kurz: Überlegen Sie genau, wie wenig bzw. wie viel Sie regeln! Orientieren Sie sich am gesunden Mittelmaß.