Besprechungsprotokolle: weniger Aufwand und trotzdem alles notiert

Protokoll-Horror

∅ 4.5 / 7 Bewertungen

Protokoll-Horror

Kaum eine Tätigkeit ist so unbeliebt wie das Mitschreiben bei Meetings. An purer "Faulheit" aller Beteiligten kann das kaum liegen. Die weitverbreitete Protokoll-Phobie hat gute Gründe - aber sie ist kein Schicksal. Wir geben Anregungen, wie Sie fast im Vorbeigehen aussagekräftige Aufzeichnungen von Meetings, Gesprächsrunden und Sitzungen anfertigen.

"Und wer schreibt das Protokoll?" Bleischwer lastet die immer gleiche Frage Tag für Tag auf Besprechungs- und Konferenzrunden. Und selbst wenn die Verantwortlichkeit fürs Mitschreiben etwa in alphabetischer Reihenfolge vergeben wird, schafft dies das Problem nicht aus der Welt: Die Abwesenheitsrate von Teilnehmern, die "eigentlich" an der Reihe wären, ist erfahrungsgemäß hoch. Und schon geht das Gefeilsche wieder los: "Wer macht's?"

Der Widerstand gegen die Protokollführung ist durchaus verständlich. Es handelt sich in der Tat um einen undankbaren Job. Der "Protokollant" muss schließlich ...

  • während der gesamten Besprechung seine Aufmerksamkeit dem Notieren von Statements, Beschlüssen und Verantwortlichkeiten widmen,

  • dabei das jeweilige Anliegen der Redner erfassen - egal, wie ungeschickt dessen Ausdrucksweise sein mag und auch wenn eine inkonsequente Veranstaltungsleitung und undisziplinierte Teilnehmer dabei stören, und schließlich auch noch

  • nach dem Meeting sich die Extra-Arbeit machen, aus "hingekritzelten" Aufzeichnungen eine zutreffende und sinnvolle Zusammenfassung in präsentabler Form herzustellen.

Mitschriften als Mauerblümchen: "Kein Mensch liest Protokolle!"

Nun könnte man den regelmäßigen "Nervenkrieg um die Niederschrift" durchaus als unvermeidliches, aber letztlich unwichtiges Spielchen abtun. Aber darin kommt weit mehr zum Vorschein, nämlich weitreichendere Probleme der Besprechungs-, ja sogar der Unternehmenskultur.

Zunächst einmal: Zwar gibt es regelmäßig lange Auseinandersetzungen um die Protokoll-Zuständigkeit. Der Aufwand bei der Erstellung von Mitschriften ist hoch. Die tatsächliche Nutzung der Aufzeichnungen steht dazu dann jedoch in keinem Verhältnis.

Protokolle werden fast immer nur als lästige Formalie behandelt, inhaltlisch werden sie schon bei der "Absegnung" zu Beginn des Folge-Meetings nicht mehr ernsthaft zur Kenntnis genommen. Allenfalls dann, wenn besonders eitle Diskutanten zur allgemeinen Erheiterung pingelige Korrekturen einforden, nimmt man sie wahr überhaupt wahr. Wichtig werden Sitzungsaufzeichnungen erfahrungsgemäß erst dann wieder, wenn nach einer Panne Schuldige und Sündenböcke gesucht werden.

Doch, Protokolle können nützlich sein!

Dabei könnten Besprechungs-Protokolle zu einer wirklich wichtigen Orientierungshilfe werden: Schließlich finden sich darin in kompakter Form ...

  • kurz gefasste Informationen und Analysen zur aktuellen Lage des Betriebs,

  • gemeinsam entwickelte Ziele,

  • beschlossene Maßnahmen sowie

  • personelle Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für deren Durchführung.

Für Nicht-Anwesende sind sie neben den eher zufälligen mündlichen Überlieferungen von Teilnehmern die einzige Möglichkeit, sich ein Bild vom Stand der Dinge zu verschaffen.

Langfristig stellen Niederschriften von Meetings (neben dem Belegwesen der Finanzbuchhaltung) übrigens die entscheidende Quelle der Unternehmensgeschichte dar. Werden sie nicht nur auf Papier verteilt, sondern als Computerdateien bereitgehalten, kann sich daraus sogar das Gerüst einer elementaren "Knowledge-Base" entwickeln, über das sich später zumindest der Weg zu fehlenden Einzel-Informationen rekonstruieren lässt.

Gute Gründe für die Drückebergerei

Wenn der wahrgenommene Nutzen eines Protokolls in der Praxis jedoch gleich Null und seine Anfertigung kein gemeinsames Anliegen aller Beteiligten ist, darf man sich nicht wundern, dass alle versuchen, sich um dessen Erstellung zu drücken.

Die Ursachen für den "Horror protokollaris" liegen aber auch noch auf anderen Ebenen:

  • Da ein individuell zuständiger "Schriftführers" benannt wurde, fühlen sich die übrigen Teilnehmer tendenziell davon entlastet, ziel- und ergebnisorientiert zu kommunizieren. Einzelne Vielredner verlieren sich in ausschweifende Endlosstatements ohne klare Stoßrichtung. Der Rest der Teilnehmer ergibt sich allgemeinem Palaver oder völligem Desinteresse.

  • Die Protokoll-Erstellung gilt landläufig als niedere Assistenten-Tätigkeit. Dabei stellt das Erfassen und Dokumentieren der wirklich zentralen inhaltlichen Punkte einer Diskussion intellektuell und handwerklich hohe - oft zu hohe -Anforderungen an eine einzelne Person, noch dazu, wenn diese aktiv beteiligt ist.

  • Hinzu kommt, dass erforderliche Arbeitstechniken und Know-how vielfach schlicht fehlen: An (Hoch-)Schulen und während der Ausbildung werden die nötigen Methodenkompetenzen (wie zum Beispiel Kurzschrift, Nutzung geeigneter Arbeitsmittel, Training beim Formulieren von Zusammenfassungen unterschiedlicher Art und Umfangs etc.) sträflich vernachlässigt. Der allgegenwärtige Business-Bluff führt dann noch dazu, dass sich auf diesem vermeintlich banalen Sektor niemand eine Blöße geben und Hilfestellungen erbitten will.

  • Und nicht zu vergessen: Konsequentes Festhalten von Beschlüssen und Verantwortlichkeiten (und deren spätere Überprüfung) zieht Arbeit für alle Beteiligten nach sich. Auch das ist in manchen Betrieben die Ursache dafür, warum Protokolle so unbeliebt sind und ein stiefmütterliches Dasein fristen.