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In der Debatte um die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige arbeitet die Bundesregierung mit Unwahrheiten und schiefen Vergleichen. Die CSU startet die Initiative, die CDU setzt sie um und die FDP verrät die Selbstständigen, für die sie eigentlich vorneweg marschieren will. Dietrich von Hase kommentiert.
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Rentenversicherungspflicht für Selbstständige - hatten wir das nicht schon mal?
Auf Youtube erklärt im Juni 2012 Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die von ihr für Juni 2013 geplante Einführung der Zwangsaltersvorsorge für Selbstständige sei "Neuland". Zitat: "Es ist das erste Mal, dass sich Deutschland auf diesen Weg macht".
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Erstaunliche Kontinuitäten: von Walter Ulbricht ...
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Genosse Walter Ulbricht, erster Sekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrats der DDR, würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon wüsste. Und sein Nachfolger, Genosse Erich Honnecker, wäre wohl auch ungehalten. Was die Bundesarbeitsministerin da sagt, stimmt einfach nicht. So stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner Pressemitteilung vom 21.07.1998 zum Urteil über das Rentenüberleitungsgesetz fest:
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"In der DDR bestand eine umfassende Sozialpflichtversicherung für 'Werktätige', Selbstständige und Genossenschaftsmitglieder."
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Zurück in Ulbrichts Aufbaujahre?
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... zu Frau von der Leyen - Vereint im Kampf für den Rentenzwang!
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Nicht Ministerin von der Leyen (CDU), sondern dem Genossen Walter Ulbricht (SED) gebührt die Ehre, erstmals auf deutschem Boden alle Selbstständigen zwangsweise in der Sozialversicherung kollektiviert zu haben. Das war 1955 in der DDR.
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Parallel dazu sank von 1955 bis zur Wende die Selbstständigenquote in der DDR kontinuierlich - insgesamt um fast 90 %: 1955 waren noch 19 % aller Erwerbstätigen selbstständig. Auf dem Weg zum realen Sozialismus (nach dem Motto "Ruinen schaffen ohne Waffen") betrug die Selbstständigenquote 1989 dann nur noch 2 % (so Arbeitsmarktforscher Prof. Hans Dietrich, Quelle).
Ganz schnell wurde im vereinten Deutschland unter Bundeskanzler Kohl der Sozialversicherungszwang für Selbstständige in der DDR dann wieder abgeschafft.
22 Jahre später ist die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel nun fest entschlossen, die früher auf die DDR beschränkte Renten-Zwangskollektivierung für Selbstständige jetzt neu in Gesamtdeutschland einzuführen. "Wenn wir es schaffen, das umzusetzen, ist dies ein riesiger sozialpolitischer Fortschritt", begeistert sich Peter Weiss, Rentenexperte der CDU-Bundestagsfraktion, für das Vorhaben in der Süddeutschen Zeitung.
Bis Juni 2013 will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen das Projekt in Sack und Tüten und durch den Bundestag haben. Denn im September 2013 ist Bundestagswahl.
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Die CSU ist ganz vorn mit dabei. Und die FDP? Umgekippt.
Das ganze ist aber ein Projekt nicht nur der CDU, sondern der Gesamtkoalition. DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD sind im Prinzip auch alle für die Zwangsaltersvorsorge für Selbstständige. Nur halt eben etwas anders als CDU, CSU und FDP. Nach den Blockparteien in der DDR-Volkskammer ergibt sich nun auch im Bundestag ein parteieneinheitliches Stimmungsbild für den neuen Rentensozialismus.
Schon Ende 2011 lag der Süddeutschen Zeitung eine CSU-Beschlussvorlage für eine Gesetzesinitiative zur Zwangsaltersvorsorge für Selbstständige vor.
Mit der FDP scheint auch schon alles abgestimmt. FDP-Vertreter sitzen mit am Tisch, wenn das Ministerium mit protestierenden Betroffenen über das Thema redet. Dieselbe FDP führte immer gern die Freiheitsrechte der Bürger und besonders die wirtschaftliche Freiheit der Selbstständigen gegenüber staatlichem Zwang im Banner. Doch jetzt verspüren die real existierenden Liberalen größere innere Nähe zur Finanzbranche. Die dürfte von dem geplanten Zwang zu Finanzprodukten nach Alterszertifizierungsgesetz, wie etwa der Rürup-Rente, besonders profitieren.
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Vorbild USA?
Mit der "obligatorischen Altersvorsorge" für Selbstständige werde, so das Ministerium für Arbeit, "die Rechtslage in Deutschland an die im Ausland angepasst". Auf Youtube nennt Ministerin von der Leyen als Beispiel dann die Rentenpflichtversicherung in den USA — das Beispiel DDR kommt in Deutschland vielleicht nicht so gut an.
Dummerweise sind auch die USA kein gutes Beispiel für staatlich verordneten Rentenbeitragszwang: Denn das soziale Sicherungssystem der USA geht offenkundig dem Bankrott entgegen. So erklärte US-Präsident Obama bereits am 12. Juni 2011 während der stagnierenden Verhandlungen um die weitere Erhöhung der Staatsschulden im Fernsehsender CBS:
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Ich kann nicht garantieren, dass die Schecks (für die US-Rentner) am 3. August rausgehen, wenn wir dieses Thema (Erhöhung der Staatsschuldengrenze) nicht gelöst haben. Weil es sein kann, dass einfach kein Geld in den Kassen ist, um es zu tun.
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Rentenbeiträge, auch von Selbstständigen, werden in den USA in einen sogenannten Trust Fond eingezahlt. Sämtliche Überschüsse werden dann in spezielle Staatsschuldscheine ("special issue securities") umgetauscht. Diese Rücklagen in Höhe von 2,6 Billionen US $ sind aber schon längst vom Staat ausgegeben.
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Entwicklung der öffentlichen Verschuldung in den USA; Quelle: FRED - Fed St. Louis, Juni 2012
Nach Jahrzehnten, in denen geburtenstarke Jahrgänge Beiträge einzahlten, nimmt auch in den USA die Zahl der Rentner rapide zu. Entsprechend steigt der Rückzahlungsbedarf aus dem US-Staatshaushalt, während die Staatsschulden explodieren - allein von 2011 bis 2012 um 10,8 %. Die Schulden überstiegen kürzlich bereits das jährliche US-Bruttosozialprodukt. Historische Analysen zeigen, dass Staaten mit Schulden dieser Größenordnung regelmäßig der Finanzkollaps bevorsteht.
Noch viel größer als die inzwischen jährlich um mehr als 1 Billion US $ steigenden, bereits verausgabten Staatsschulden sind die jährlich neu auflaufenden, für die Zukunft eingegangenen Verbindlichkeiten für den US-Staatshaushalt. John Williams, der auf der Website Shadowstats.com US-Wirtschaftsstatistiken analysiert, beziffert diese Verbindlichkeiten für 2008 auf rund 5,1 Billionen US $, für 2009 auf etwa 4,3 Billionen US $ und für 2010 auf circa 5,3 Billionen US $. 2010 betrug der nach GAAP bilanzierte Schuldenstand bereits 76,3 Billionen Dollar – rund das Fünffache des US- Bruttosozialprodukts. 2011 kamen erneut zusätzlich eingegangene Verbindlichkeiten von über 5 Billionen US $ hinzu.
Der größte Teil dieser völlig aus dem Ruder gelaufenen zukünftigen Zahlungspflichten der USA betrifft die zukünftige Rentenversorgung (Social Security) und die medizinische Versorgung (Medicare, Medicaid).
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In den USA pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass in den kommenden Jahren der Ruin der Staatsfinanzen und des Sozialversicherungssystems bevorsteht. Seit 2008 verteilt Bundeskanzlerin Merkel Gelder aus Deutschland als Milliarden-Pakete an Pleitebanken und Pleitestaaten oder unterzeichnet entsprechende Staatsbürgschaften. Gleichzeitig will Arbeitsministerin von der Leyen uns das schon ziemlich bankrotte US-System als Beispiel dafür verkaufen, warum nun endlich auch in Deutschland ein Zwangsrentensystem für Selbstständige eingeführt werden muss.
So sollen die Selbstständigen also ab nächsten Sommer erhebliche Einkommensbestandteile unkündbar und nicht vererbbar bei den Pleitebanken abliefern. So lang, bis sie der Tod von der jeweiligen Bank oder Versicherung als Vorsorgevermögens-Zwangsverwalter scheidet. Oder man überweist der Deutschen Rentenversicherung sein Einkommen zur sofortigen Weiterverteilung an die Rentner. Schließlich sind Selbstständige den schwarz-gelben Politikern zufolge ja zunehmend unfähig, selbst fürs Alter vorzusorgen. Und da sollten sie ja nicht irgendwann dem Staat und der Allgemeinheit zur Last fallen.
Alles in allem sehr überzeugend.