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Da will man etwas Kreatives schreiben - und sitzt mit völlig leerem Kopf vor dem Bildschirm, löscht einen misslungenen Anfangsversuch nach dem anderen oder wäscht lieber gleich ab, statt sich an den Computer zu setzen. Gegen solche Schreibhemmungen gibt es aber bewährte Hausmittel: Lisa Kuppler gibt Tipps gegen den "Writer's Block".
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Blockade
Der "Writer's Block" - im Deutschen am besten, wenn auch wenig originell, mit "Schreibhemmung" übersetzt - ist das Scheckgespenst aller, die kreativ Texte erstellen. Die schlimmste Form davon ist wohl die klassische: Dem Autor fällt nichts mehr ein, was er schreiben könnte.
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Daneben gibt es auch subtilere Ausprägungen, die Autorinnen und Autoren aber genauso vom Schreiben abhalten. Schließlich ist es egal, ob man nichts geschrieben hat, weil einem die Ideen ausgegangen sind, oder weil man all die schönen Ideen im "Kopf" nicht aufs Papier gebracht hat.
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Ich kenne Schreibhemmungen gut: Ich arbeite seit zehn Jahren als Lektorin mit Autorinnen und Autoren zusammen an ihren Büchern und an ihrer "Schreibe", ihrem literarischen Stil. Und als Lektorin muss ich auch eigene Texte verfassen, für die Verlagsvorschauen und die Klappentexte der Bücher, oder auch Gutachten oder Rezensionen. Außerdem schreibe ich auch manchmal Kurzgeschichten für Anthologien, doch in erster Linie aus Spaß und als Hobby.
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Dafür musste ich übrigens ein ganz besonderes Hemmnis überwinden. Die klassische Frage an einen Lektor - die man tunlichst nicht stellen sollte - lautet: "Ja, warum schreibst du denn nicht selbst mal einen Krimi?" Jahrelang habe ich geantwortet: "Ich bin eine gute Lektorin, aber höchstens eine mittelmäßige Autorin. Und da arbeite ich lieber daran, die Manuskripte guter Autoren zu erstklassigen Büchern zu machen." Es war für mich ein großer Schritt, mich auch ans literarische Schreiben heranzuwagen und die ersten eigenen Kurzgeschichten zu schreiben. Wahrscheinlich geht es den meisten LektorInnen so. Viele von uns träumen davon, selbst literarisch zu schreiben. Zugleich ist das aber eine der größten Herausforderungen für uns. Denn wer weiß, wie ein guter Text aussehen und sich beim Lesen "anfühlen" soll, kann noch lange nicht selbst einen guten Text schreiben.
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Da unterscheiden sich die LektorInnen gar nicht so sehr von den LeserInnen, die auch wissen, was sie als "gut" und gelungen empfinden, aber es deshalb noch lange nicht besser machen könnten. Und das ist ja auch nicht ihre Aufgabe, sondern die der AutorInnen.
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Schluss mit den Ausflüchten!
Typischer Fall von Schreibblockade:
Autor A muss einen Text schreiben, doch er macht alles andere - Auto waschen, Zeitung lesen, Mittagessen bereiten, die Steuererklärung etc. - bevor er sich an den Computer setzt und wirklich mit dem Schreiben anfängt.
Es gibt viele Ausreden, die einen vom Schreiben abhalten. "Ich kann nur morgens schreiben", "Ich kann nicht schreiben, wenn das Geschirr noch nicht gespült ist.", "Ich kann hungrig nicht schreiben." oder auch "Ich kann mit vollem Magen nicht schreiben." Alles sind nur Ausflüchte, die den Moment hinauszögern, an denen das, was dem Autor schon im Kopf herumgeht, endlich in einen Text umgesetzt wird.
Sicher werden viele dieses Phänomen kennen, mir zumindest geht es fast immer so. Es gibt viele Gründe für diese seltsamen Ausweichtaktiken:
die Angst, dass unsere vagen Gedanken und "Entwürfe im Kopf" der Realität des Schreibens dann doch nicht standhalten;
die hohen Ansprüche an das eigene Schreiben, das immer perfekt sein muss;
ein in diesem Falle unsinniger Respekt vor der Kunst des Schreibens an sich; oder auch
der Vergleich mit den Texten von veröffentlichten AutorInnen, die oft zu unseren großen Vorbildern zählen.
Doch letzten Endes ist es egal, warum wir uns durch Ausflüchte und Ausreden vom Schreiben abhalten lassen. Die Konsequenz ist ein Writer's Block, der uns einreden will: "Ich kann erst schreiben, wenn ..." oder "Ich kann nicht schreiben, solange ..." Texte werden dann oft nur unter Stress und Zeitdruck, den Abgabetermin im Nacken, geschrieben. Mancher Autor kann vielleicht nur so schreiben, aber es kostet ihn selbst durchgearbeitete Nächte, seine Umgebung eine Engelsgeduld und beide eine gehörige Portion Nerven.
Diese Art von Writer's Block kann auch so aussehen:
Autorin B macht den Computer an, starrt ein, zwei Minuten auf den leeren Bildschirm, tippt einen ersten Satz, verwirft (löscht) ihn, tippt den nächsten, löscht auch den, und starrt dann ein, zwei Minuten auf das leere Dokument. Dann beschließt sie, dass es offensichtlich nicht der richtige Moment zum Schreiben ist und macht doch lieber zuerst die Wäsche, den Nachtmittagskaffee oder die Steuererklärung.
Eigentlich ist dies dasselbe Phänomen wie beim ersten Beispiel: Entweder man findet tausend Gründe, warum man gerade jetzt nicht schreiben kann. Oder man gibt sofort auf, wenn man nicht sofort den perfekten Anfang findet, um sich den tausend Dingen zuzuwenden, die man doch noch vor dem Schreiben machen könnte. Beides sind Verhinderungsstrategien, die uns von der Konfrontation mit dem eigenen Schreiben und dem dabei entstehenden, eigenen Text abhalten.
Denn dass Schreiben nicht einfach ist, weiß jeder, der Ideen und Geschichten in Buchstaben, Sätze, Kapitel und Szenen umsetzt. Es mag die paar AutorInnen geben, denen regelmäßig die Geschichte einfach von den Fingerspitzen in die Tastatur fließt und die dabei einen Schreibrausch erleben, an dessen Ende sie erstaunt auf den Bildschirm blicken und kaum glauben können, dass sie das geschrieben haben. Alle AutorInnen kennen sicher solche Momente - die genialischen Höhenflüge des kreativen Schreibens. Doch den meisten wird es wohl über weite Strecken so gehen wie mir: Schreiben ist harte Arbeit, bei der man ständig an die eigenen Grenzen stößt. Oft ist kreatives Schreiben auch anstrengend, sogar quälend, zum Beispiel, wenn man immer wieder eine Passage überarbeitet, die einfach nicht stimmen will.
Mir erzählen AutorInnen oft: "Man sieht es dem Satz nicht an, aber an dem habe ich Stunden gearbeitet." Oft sind das dann aber auch die Sätze mit den stärksten Bildern, die Sätze, an denen etwas Grundsätzliches über eine Figur gesagt wird, das die gesamte Charakterisierung stimmig macht. Für mich als Lektorin ist eines ganz klar: Die harte Arbeit an einem Text lohnt sich. Immer.
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Blockadebrecher: Tipps gegen die Schreibhemmung
Wie kann man es nun also schaffen, dass man gar nicht erst in die Falle "Ich kann erst schreiben, wenn ..." hineinstolpert? Wie kann man diese Art von Writer's Block aus dem Weg schieben? Ein Patentrezept gibt es sicher nicht. Aber ich kann einige Tipps geben, die ich mir selbst immer wieder vorsage und die - meistens - auch funktionieren.
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Tägliche Schreibzeiten festlegen und einhalten.
Den absolut perfekt richtigen Moment, um zu schreiben, gibt es nicht. Jeder Moment ist richtig, wenn man schreiben will - ob man im Café ein paar Sätze in ein Notizbuch kritzelt, oder zwischen zwei Telefonaten eine Szene fertig schreibt. Deshalb hat es auch keinen Sinn, sich den "richtigen Moment" durch Geschirrspülen oder das Warten auf den Abend zurechtrücken zu wollen.
Sehr hilfreich ist es, wenn man geregelte Schreibzeiten einführt, an denen man jeden Tag schreibt. Das kann auch nur eine halbe Stunde sein - es ist erstaunlich, wie viel man in einer halben Stunden schreiben kann. Wichtig ist, dass man diese Zeit für das Schreiben freihält und dann wirklich nutzt. Wenn es nicht anders geht - den Wecker stellen, beim Klingeln alles stehen und liegen lassen und zum Laptop stürzen!
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Ansprüche herunterschrauben.
Aus meiner Erfahrung kann ich es nicht oft genug sagen: Eine erste Fassung muss nicht perfekt sein, sondern muss die Handlung und die Charakterisierung "in Worte fassen". Denn vor allem will ein Text erst einmal geschrieben werden.
Also: Wir sind nicht Carl Hiaasen, nicht Annie Proulx, nicht die neue, die deutsche Minette Walters (und nun habe ich meine Götter am Literaturhimmel verraten). Wir dürfen schlechte Sätze schreiben, unstimmige Szenen, Klischees verwenden, wacklige Bilder ausprobieren - in der Rohfassung! Man kann alles, aber auch alles überarbeiten. Doch wenn nichts da ist, gibt es auch nichts zum Überarbeiten. Die Geschichte muss aufs Papier, und dabei ist es erst einmal egal, in welcher Form und mit wie vielen Schwächen.
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Die fünf W-Fragen.
Wenn ich vor dem Bildschirm sitze, und jedes Wort, das ich tippe, einfach nicht weiterführen will, dann hilft es mir, wenn ich mir vergegenwärtige, was ich eigentlich in der Szene oder dem Absatz sagen und den LeserInnen zeigen will. Mir hilft es in solchen Momenten, wenn ich mir die fünf W-Fragen stelle:
Wo befindet sich meine Figur?
Wer ist sie?
Was tut sie gerade?
Wie tut sie es?
Warum tut sie es?
und dann die Antworten auf diese Fragen ausschreibe. Dadurch kommt dann eine Szene zustande, in der Setting (Wo?), Figur (Wer?), die Handlung oder der Dialog (Was?), die Art der Handlung oder des Dialogs (Wie?) und die psychologische Motivation der Figur (Warum?) geklärt und beschrieben werden - und das ist genau das, was eine Szene ausmacht.
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Von A nach B kommen.
Oft hilft es mir auch, wenn ich mir die Ausgangssituation der Szene vergegenwärtige, und mir dann überlege, wie die Szene enden soll. Die Frage ist dann: Wie komme ich von A, der Ausgangssituation, zu B, der Endsituation? Wie komme ich also von Szenenanfang zum Szenenende? Wenn ich das weiß, dann habe ich die wirren Ideen für die Szene, die mir im Kopf herumschwirren, geordnet und kann sie zu Papier bringen.
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Die Schreibkontrollinstanz
Für mich ist es am idealsten, wenn ich eine Schreibgruppe oder auch nur einen anderen Menschen habe, der kontrolliert, ob ich die festgelegten Schreibzeiten wirklich eingehalten habe und der die entstandenen Texte auch lesen will. In einer Schreibgruppe kann so ein freundschaftliches Kontrollprinzip auf Gegenseitigkeit beruhen. Und auch wenn man nicht sofort Kritik oder Feedback zum Geschriebenen bekommen will - ein kleiner "Abgabetermin" ist bei einem Writer's Block Gold wert.
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Fazit
Zu hohe Ansprüche sind der Killer für jede Art von Kreativität. Kreatives Schreiben heißt auch, sich schwache Passagen und handwerkliche Fehler in der Rohfassung zu erlauben. Streichen und überarbeiten kann man immer!
Und: Kreative Prozesse wie das literarische Schreiben kann man nicht steuern und nicht per Knopfdruck an- und abschalten. Aber man kann im Leben festgelegte (Zeit)Räume für das Schreiben schaffen.
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