Mit Bild
Auflösung, Pixel, Sensorgröße - in der Fotografie ist viel zu oft nur von technischen Dingen die Rede. Ob ein Foto gelingt, hängt aber vor allem davon ab, ob der Mensch hinter der Kamera "fotografisch sehen" kann. Das "fotografische Auge" ist keine Gottesgabe - man kann es trainieren. Anhand von Bildbeispielen zeigen wir, was damit praktisch gemeint ist.
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Tipp-Serie: 'Besser fotografieren'
Im zweiten Teil der Serie geht es um die Perspektive. Im dritten Teil stellt sich die Frage: "Was ist eigentlich kreativ?".
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Vom Knipsbild zur gestalteten Aufnahme
Ob bewußt oder unbewußt - durch die Wahl des Motivs und des Ausschnitts entscheidet der Fotograf oder die Fotografin, was auf dem späteren Bild zu sehen sein wird und was "außen vor" bleibt. Bei den meisten Gelegenheitsfotografen wird diese Entscheidung spontan getroffen: Man sieht etwas, findet es schön oder erinnerungswürdig und hält die Kamera drauf. Das Erinnerungsfoto hat man dann zwar - aus ästhetischer Sicht überzeugt das Ergebnis oft allerdings nicht allzu sehr.
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Bevor erfahrene Fotografen auf den Auslöser drücken, führt ihr "fotografisches Auge" quasi eine Reihe von Gestaltungs-Checks durch. Anders gesagt: Sie prüfen das Bild vor der Aufnahme auf mögliche Fehler und machen sich Motivwahl, Ausschnitt und Komposition bewußt. Die wichtigsten Punkte dieser imaginären "Checkliste" wollen wir uns im Folgenden ansehen.
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Hauptmotiv erkennen, Nebensächliches weglassen
Der erste Schritt auf dem Weg zum fotografischen Sehen besteht darin, sich aufs Wesentliche konzentrieren. Sie müssen entscheiden: Was ist mein Hauptmotiv in diesem Bild? Das ist nicht so trivial, wie es sich anhört.
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Im nächsten Schritt geht es darum, das Bild von Ballast zu befreien. Der unerfahrene Fotograf tendiert dazu, zu viel aufs Bild zu nehmen. Manchmal weiß der Betrachter dann gar nicht genau, was das Hauptmotiv ist. Vermutlich war der Fotograf selbst von den vielen Eindrücken so überwältigt, dass er seine Eindrücke nicht sortieren konnte. Das sieht man dem Bild auch an. Solche Fotos wirken überladen und verwirrend.
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Vor dem Fotografieren sollte ein Motiv gedanklich in seine Bestandteile zerlegt werden. Für eine gelungene Aufnahme müssen wir das Hauptmotiv erkennen und uns auf dessen wesentlichen Inhalt konzentrieren. Das geschieht durch die Wahl des Bildausschnitts.
Gerade aus weniger perfekten Aufnahmen lässt sich lernen, worum es geht. Schauen wir uns einige an:
Beispiel 1
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Beispiel 1: Zu viel "Drumherum" lenkt vom Hauptmotiv ab.
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Ich bin sicher, der Fotograf hat nur die Frau und das Kind gesehen. Den Betrachter der Aufnahme lenkt das Drumherum jedoch ab, das Foto erscheint unruhig und chaotisch. Im Bild sind viele 'störende Elemente' zu sehen - Elemente, die nicht zum Hauptmotiv gehören und auch keinen bildwirksamen Bezug haben. (Das "störende Element" ist übrigens das Gegenteil von einem Accessoire oder einer Requisite, die man gezielt hinzufügt, um dem Bild eine besondere Note zu verleihen.) Durch eine Reduktion des Bildausschnitts würden die störenden Elemente verschwinden und das Bild deutlich einladender wirken.
Beispiel 2
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Beispiel 2: Das Hauptmotiv "verwächst" mit nebensächlichem Beiwerk.
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Beim Fotografieren wird die dreidimensionale Wirklichkeit auf eine Ebene reduziert. Folge: Gegenstände, die wir als weit von einander entfernt wahrnehmen, erscheinen plötzlich nebeneinander. Einer fotografierten Person wachsen Laternenmaste aus dem Kopf oder - wie hier - Knoblauchzöpfe aus den Ohren. Solche Patzer können amüsant sein - gute Porträts gelingen so nicht. Das Bild wirkt insgesamt überladen. Als Fotograf sollten Sie also nicht nur das Hauptmotiv im Blick haben, sondern auch alles, was sich drum herum und dahinter befindet.
Beispiel 3
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Beispiel 3: In einem normalen Haushalt lassen sich Hintergründe nicht komplett wegzaubern. Hier sind aber nur noch wenige störende Elemente im Bild. Die "zwei lustigen Drei" könnte man vor einem Weihnachtsbaum (Requisite) posieren lassen. Um eine völlig neutrale Umgebung zu schaffen benötigt man eine Studio-ähnliche Umgebung, am besten einen großen, neutralen Hintergrundkarton.
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Führen Sie Regie! Wenn Sie während einer Feier Bilder machen, dirigieren Sie die Personen an Plätze, die sich zum Fotografieren eignen. Solche Plätze lassen sich ggf. auch entsprechend vorbereiten. Haben Sie dazu nicht die Möglichkeit, engen Sie den Bildausschnitt ein oder komponieren Sie ihn so, dass der Hintergrund mit einbezogen wird. Damit Personen und Raum gleichermaßen wirken, sind noch andere Kunstgriffe erforderlich, auf die wir in späteren Artikeln eingehen werden. Zunächst ist vor allem Eines wichtig: genaues Hinschauen.
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Fotografisches Auge und optische Wahrnehmung
Wir haben die einzelnen Schritte hier nacheinander beschrieben, damit sie in der Praxis umsetzbar werden. Sobald ein Fotograf von der intuitiven zur bewußten Gestaltungsarbeit übergeht, muss er jedoch quasi alle Schritte gleichzeitig durchführen. Deshalb entsteht leicht ein Gefühl von Überforderung: Man muss auf viele Dinge gleichzeitig achten - und das in dem oft nur für Sekundenbruchteile geöffneten Zeitfenster des idealen Moments für die Aufnahme. Bildgestaltung ist eine komplexe Routine, die am Ende völlig automatisch abläuft. Erlernt wird sie aber am besten Schritt für Schritt.
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Fotografieren schärft die Wahrnehmung
Im Alltag haben wir unsere eingefahrenen Sichtweisen: Wir sehen etwas bzw. wir meinen es zu sehen. Wenn wir gefragt werden, können wir dieses Etwas jedoch oft gar nicht genauer genauer beschreiben. War es gelb oder gelborange? War der Schriftzug blau oder grün? Unsere Wahrnehmung konzentriert sich optisch auf bestimmte Details. Das Drumherum blendet das Gehirn schlichtweg aus.
In einem Experiment wurden Probanden aufgefordert, mitzuzählen, wieviel Ballwechsel bei einer Gruppe von Basketballspielern vorkamen. Dabei fiel kaum einem der Beobachter auf, dass ein als Orang Utan verkleideter Spieler dreimal ohne Ballkontakt durchs Bild lief.
Das ist auch beim Fotografieren unser Problem: Wir sehen nur das, worauf wir uns konzentrieren. Die Kamera nimmt aber, völlig wertneutral, alles auf, was sich im Bildfeld befindet! Fotografisch sehen bedeutet also im ersten Schritt: Sehen, was wirklich da ist.
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Vor dem Druck auf den Auslöser gibt es immer einen Entscheidungsprozess: Fotografieren - ja oder nein? Bei flüchtigen Momenten bleibt keine Wahl: Man drückt sofort ab. Wenn das Motiv aber für längere Zeit zur Verfügung steht, besitzt der Fotograf Zeit zur "Komposition". Und die sollte er auch nutzen, denn
sowohl bei der Auswahl des Bildausschnitts als auch
durch die Reduktion von dreidimensional wahrgenommener, bewegter Wirklichkeit in ein zweidimensionales, unbewegtes Bild
gehen sehr viele Informationen verloren. Um dem Bildinhalt trotzdem Aspekte wie räumliche Tiefe und Bewegung zu geben, muss die subjektive Wahrnehmung des Fotografen im zweidimensionalen Bild mit anderen Mitteln simuliert werden.
Dies geschieht im Wesentlichen durch
die Wahl der Perspektive,
die Verteilung von Licht und Schatten im Bild,
die Anordnung von Farben und Linien und
den Einsatz von Schärfe und Unschärfe.
Wir werden in einer kleinen Artikelserie auf jeden einzelnen Aspekt noch genauer eingehen. Theoretisch sind diese Gestaltungselemente auch den meisten weniger geübten Fotografen bekannt. Die gezielte Anwendung in der Praxis lässt aber oft zu wünschen übrig. Dafür gibt es mehrere Gründe. Kein Wunder, denn man braucht dazu ausreichend Übung und Erfahrung und muss sich die Zeit für die bewußte Motiv-Komposition nehmen. Vor allem aber muss man gelernt haben, ein Motiv zu abstrahieren und seine einzelnen Gestaltungselemente bewußt wahrzunehmen.
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Fazit
Machen Sie sich bewusst, was Ihr Hauptmotiv ist
Achten Sie beim Fotografieren darauf, dass im Bild nur das zu sehen ist, was für die Aufnahme wichtig ist.
Gehen Sie so nahe an Ihr Motiv, bis es formatfüllend im Bild ist.
Achten Sie auf einen ruhigen Hintergrund.
Platzieren Sie Ihr Motiv so oder wählen Sie die Perspektive so, dass 'störende Elemente' ausgeblendet werden.
Entfernen Sie notfalls Dinge, die stören könnten.